Am 9. November 2014, 19.00 Uhr, spricht Cornelia Rühlig, Vorsitzende der Margit-Horváth-Stiftung in Mörfelden, über die Geschichte und Verfolgung der Sinti und Roma. Der Schwerpunkt ihres Vortrages wird, dem Gedenktag entsprechend, auf der NS-Zeit liegen. Die Gedenkfeier findet in der Remise am Alten Amtsgericht statt.
Seit fast drei Jahrzehnten lädt die Zwingenberger SPD am 9.11., dem Tag der Reichspogromnacht von 1938 gegen die jüdische Bevölkerung, die Bevölkerung ein, im Rahmen der Gedenkfeier gemeinsam der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.
Zu den Opfern zählen auch Menschen, die damals in Zwingenberg, mitten unter uns, lebten: Sie wurden von den Nazis aufgrund ihrer politischen Gegnerschaft, ihres Glaubens, ihrer Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Rasse schikaniert, verfolgt, verhaftet, in Lager gesperrt und ermordet. Ihre Namen, ihre Schicksale, sind bekannt, sind zugänglich.
Beschrieben wurden sie von Dr. Fritz Kilthau in seinem, im April 2000 veröffentlichten Buch, Mitten unter uns, Zwingenberg an der Bergstraße von 1933 bis 1945.
Die Gedenktafel im Zwingenberger Rathaushof mit den Namen der von den Nazis Ermordeten Zwingenberger Bürgerinnen und Bürgern trägt seit Jahren zur Erinnerung an die Opfer bei.
SPD-Vorsitzender, Herr Dirk Handwerg und ein/e Vertreter/in des Magistrats der Stadt Zwingenberg werden die Gedenkfeier eröffnen. Im Anschluss daran wird Frau Cornelia Rühlig die Gedenkansprache halten.
500.000 Sinti und Roma wurden während der NS-Herrschaft ermordet.
Auf der Grundlage einer jahrhundertelangen Diskriminierung und gesellschaftlichen Ausgrenzung wurden etliche bereits in der Weimarer Republik auf der Grundlage des hessischen Gesetzes gegen das Zigeunerunwesen in umzäunten Lagern interniert. Ab 1933 wurden sie systemtisch aus dem Erwerbsleben verdrängt, von Berufsorganisationen und Schulen ausgeschlossen, nach sog. rassischen Gesichtspunkten erfasst und vermessen; viele wurden zwangssterilisiert und schließlich in Konzentrationslager deportiert.
Am Beispiel der Regionalgeschichte des Rhein-Main-Gebietes wird diese Entwicklung im Rahmen des Vortrages konkretisiert und an zahlreichen Fallbeispielen dargestellt.
Bis vor wenigen Jahren kümmerte sich in der breiten Öffentlichkeit nur sehr wenige darum, was mit den Sinti und Roma während der NS-Zeit geschehen war. Die aus den Lagern zurückkamen, waren meist staatenlos, bekamen jahrzehntelang keine Entschädigung, wurden erneut an den Rand der Gesellschaft gedrängt, bekamen weder Arbeit noch Wohnung
Bis heute scheuen sich viele Sinti und Roma, öffentlich zu sagen, dass sie dieser Minderheit angehören aus einem für unsere Mehrheitsgesellschaft beschämenden Grund: 64 % der in Deutschland lebenden Bevölkerung möchte keine Sinti und Roma in ihrer Nachbarschaft, über 44 % sind der Meinung, dass diese ethnische Gruppe grundsätzlich zur Kriminalität neigt. Zudem ist eine breite Öffentlichkeit noch immer der Meinung, dass das Nomadentum Teil ihrer Identität sei. Dabei sind Sinti und Roma in Deutschland bereits seit dem späten 19. Jahrhundert zu über 95% sesshaft. Roma, die auf der Straße leben, tun dies nicht als Ausdruck ihrer kulturellen Identität, sondern sie sind in einem Teufelskreis: Sie bekommen keine Wohnung, deshalb keine Arbeit und weil sie keine Arbeit haben, bekommen sie keine Wohnung. Klischees, Missverständnisse, Nichtwissen und Vorurteile geben sich hier die Hand. Vielleicht ließe sich durch ein breites zivilgesellschaftliches Engagement dieser Kreislauf doch nach und nach durchbrechen.
Die Margit-Horváth-Stiftung arbeitet sowohl historisch wie auch zu aktuellen Fragestellungen in diesem Bereich.
Mit einer Schweigeminute an der Gedenktafel im Rathaushof wird die Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus beendet.
Alle Interessierten sind herzlich zu dieser Gedenkfeier eingeladen.