In einem kürzlich im Bergsträßer Anzeiger veröffentlichten Leserbrief empört sich eine ehemalige CDU-Stadtverordnete über den ihrer Ansicht nach schlechten Stil und fragwürdiges Benehmen der Fraktionen von SPD und GUD bei der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung. Ins gleiche Horn stößt die Sprecherin der Vereine, die sich bei der Jahreshauptversammlung eines Sportvereins gar über angeblich nicht eingehaltene Absprachen entrüstete. Nun fragt man sich in letzterem Fall, woher die Dame, die bei keinem der Vorgespräche der Parteien anwesend war, ihr Wissen über die Gesprächsinhalte nimmt? Absprachen, wurden mit der SPD jedenfalls nicht getroffen.
Was ist der Hintergrund der Aufregung? Nach der Kommunalwahl verfügen die Fraktionen von CDU und FDP in der Stadtverordnetenversammlung künftig über eine stabile Mehrheit von 18 der 31 Sitze. Routinemäßig werden nun auch zahlreiche Ausschüsse und eben auch der Magistrat neu gewählt. In diesen entsenden die 4 in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Fraktionen insgesamt 6 ehrenamtliche Mitglieder. Komplettiert wird das 7-köpfige Gremium durch den hauptamtlichen Bürgermeister, der bekanntlich der FDP angehört. Über die zu verteilenden 6 Sitze wird in der konstituierenden Stadtverordnetenversammlung anhand von eingereichten Wahlvorschlägen in geheimer Wahl abgestimmt. Die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Wahlvorschläge erfolgt anschließend über ein anerkanntes Auszählungsverfahren. Wenn jede Fraktion einen eigenen Wahlvorschlag eingereicht hätte, wären so bei Anwesenheit aller 31 Stadtverordneten und unter der Annahme, dass jeder für seinen eigenen Wahlvorschlag stimmt, 2 Sitze auf die CDU, 2 Sitze auf die GUD und jeweils ein Sitz auf SPD und FDP entfallen. Mit der – bei Stimmengleichheit ausschlaggebenden – Stimme des Bürgermeisters, wäre eine schwarz-gelbe Mehrheit im Magistrat damit gesichert gewesen.
Alternativ können Listen gebildet werden, die dann einen gemeinsamen Wahlvorschlag einreichen. Hierdurch kann sich die Verteilung der Sitze über das genannte Auszählungsverfahren zugunsten einer Liste verschieben. Die von CDU und FDP aufgestellte Liste hatte nun genau diesen Zweck, wie insbesondere die CDU in entsprechenden Veröffentlichungen im Bergsträßer Anzeiger und auch im Darmstädter Echo (beide erschienen am 9. April) deutlich machte: Ziel war ein 4. Magistratssitz für die gemeinsame Liste von CDU und FDP, die GUD bekäme dann nur einen Magistratssitz. Außerdem bietet die Listenbildung die Möglichkeit, die Reihenfolge der Kandidaten zwischen den Beteiligten frei zu wählen. Nur so bekam eine Kandidatin der FDP die Chance auf das Amt der Ersten Stadträtin. Eine dauerhafte und bindende politische Zusammenarbeit der beiden Fraktionen durch Bildung einer Koalition wurde ausdrücklich ausgeschlossen. Nun sind solche taktischen Manöver weder unmoralisch noch anrüchig, sondern völlig legal. Das gilt dann natürlich für alle Beteiligten. Es kann niemanden ernsthaft wundern, dass die GUD den möglichen Verlust ihres 2. Magistratssitzes nicht einfach hinnehmen wollte und deshalb ihrerseits Gespräche über die Bildung einer gemeinsamen Magistratsliste mit der SPD aufnahm, um so nach dem bereits mehrfach erwähnten Berechnungsverfahren eine Zuweisung von je 3 Magistratssitzen für jede der beiden Listen zu erreichen. Die SPD/GUD-Liste wurde am Montagabend (11. April) fertiggestellt und am folgenden Dienstagmorgen im Rathaus eingereicht. Und zumindest der Bürgermeister wusste damit auch von diesem gemeinsamen Wahlvorschlag. Von einer Inanspruchnahme der sogenannten Mehrheitsklausel durch die CDU/FDP-Liste war bis zu diesem Zeitpunkt nicht die Rede. Nach dem Wahlgang in der konstituierenden Sitzung am 14. April wurde dann ohne weitere Erklärung verkündet, dass 4 Sitze auf die CDU/FDP-Liste und 2 Sitze auf die SPD/GUD-Liste entfallen. An dieser Stelle meldete ein Vertreter der GUD Zweifel an diesem Ergebnis an und erst dann verwies die CDU auf die Mehrheitsklausel, nach der der CDU/FDP-Liste vorab ein zusätzlicher Sitz zustünde. In der Sitzung konnte keine Einigkeit darüber erzielt werden, ob die Mehrheitsklausel ohne Koalitionsbildung angewendet werden kann. Die Zweifel waren durchaus nicht aus der Luft gegriffen: Bereits mehrfach hatte die Frage, ob für eine Inanspruchnahme der Mehrheitsklausel durch eine Listenverbindung die Bildung einer Koalition Voraussetzung sei, die Justiz beschäftigt. Dass dieser Punkt auch für den Zwingenberger Fall weder für die Stadtverordneten noch die Verwaltung unmittelbar eindeutig war, rechtfertigt den Widerspruch in der Sitzung und den Wunsch nach juristischem Rat für eine saubere Klärung. Das als fragwürdiges Benehmen und schlechten Stil zu bezeichnen ist schon starker Tobak! Und was den mangelnden Respekt angeht: Inwieweit die Vorab-Verkündung des Ergebnisses einer Wahl, die erst 5 Tage später durch eine Stadtverordnetenversammlung stattfinden soll, über die Presse von großem Respekt gegenüber diesem Gremium zeugt, kann man sich zumindest fragen!